Deutschlandfunk Forschung aktuell vom 09.11.2015

Zoologie Bienen lernen im Schlaf

Biologinnen an der Freien Universität Berlin haben den Zusammenhang von Schlaf und Gedächtnisleistung bei Honigbienen erforscht. Ihre Versuche legen nahe, dass die Insekten – ähnlich wie der Mensch – gelerntes Verhalten in Ruhephasen Revue passieren lassen.

Von Volkart Wildermuth

Eine Honigbiene sammelt Pollen auf einer voll erblühten weißen Rose. (picture alliance / dpa / Wolfgang Moucha)

Auch wilde Bienen lassen wohl im Schlaf den Tag Revue passieren und können sich so besser an ergiebige Blumenwiesen erinnern. (picture alliance / dpa / Wolfgang Moucha)

Es ist herbstlich kalt in Berlin, eigentlich kein Wetter für die Bienen. Trotzdem summt es laut im Institut für Neurobiologie der Freien Universität Berlin. In einem Gewächshaus mit Heizung wird einem Bienenstock Sommer vorgespielt, damit die Forscherinnen immer Nachschub an Bienen für ihre Experimente haben. Normalerweise merken sich Bienen die Farben und Düfte ertragreicher Blüten, doch bei dieser Witterung blüht nichts mehr. Hanna Zwaka holt die Bienen deshalb ins Labor und fixiert sie in dünnen Röhrchen.

„Wir füttern die Tiere mit einer Zuckerbelohnung, und während wir sie mit der Zuckerbelohnung füttern, ist ein Wärmestimulus anwesend.“

Wärmestimulus, das ist in diesem Fall ein niedrig eingestellter Lötkolben. Schnell lernen die Tiere, wenn es wohlig warm wird, gibt es Zuckerwasser – und in freudiger Erwartung strecken sie schon vorab ihren Rüssel aus. Und das durchaus noch einige Zeit nach der Lerneinheit.

„Das ist sehr unterschiedlich wie bei uns auch. Manche erinnern sich länger, über 72 Stunden, und manche haben es schon nach 24 Stunden vergessen.“

Entscheidend für das Gedächtnisexperiment war, dass es nicht nur zwei, sondern drei Komponenten gab, neben dem Zuckerwasser und der Wärme auch einen charakteristischen Duft.

„Das heißt, es riecht in diesem Fall nach Hexanol, das ist kein besonders angenehmer Duft. Wir können den auch riechen und die Tiere eben auch. Also sie verknüpfen den Wärmestimulus mit dem Zucker und zusätzlich wissen sie, dass die ganze Zeit ein Duft anwesend ist.“

Der Duft symbolisiert sozusagen die Lernsituation. Die ist auch bei Menschen wichtig. Wer in der Bibliothek Vokabeln paukt, der merkt sich nicht nur die Worte, sondern auch unbewusst den Geruch der Bücher, die Stille, die Raumgestaltung. Diesen Eindruck der Lernsituation nutzte Hanna Zwaka in der Nacht während die Bienen schliefen.

„Im Stock setzen sich die Tiere hin und die Antennen hängen dann nach unten, weil die Tiere sich entspannen. Und genau das Gleiche haben wir auch gemacht: Wir haben die Tiere beobachtet und gesehen, dass sie die Antennen nicht mehr bewegen. Und immer wenn sie sich über einen längeren Zeitraum nicht bewegen, haben wir die Tiere mit dem Duft stimuliert, den sie schon aus der Lernsituation kannten.“

Am nächsten Tag dann erinnerten sich die bedufteten Bienen deutlich besser an den Zusammenhang Wärme – Zuckerwasser, als jene Insekten, die einfach so geschlafen hatten. Nun wird es nachts im Bienenstock eher nach Honig duften, als nach Blumenwiese, die Sache mit dem Duft ist also eine recht künstliche Situation. Doch Hanna Zwaka ist davon überzeugt, dass ihr Experiment nur einen natürlichen Mechanismus zusätzlich verstärkt.

„Ich glaube, dass dieser Vorgang von alleine passiert. Das Gelernte wird im Schlaf wiederholt, und durch unseren Duft können wir nur die Anzahl der Wiederholungen erhöhen und dadurch erinnern sich die Tiere besser. Die anderen erinnern sich ja auch.“

Auch wilde Bienen lassen wohl im Schlaf den Tag Revue passieren und können sich so besser an ergiebige Blumenwiesen erinnern. Bei Menschen ist das im Übrigen ganz ähnlich, der Schlaf stärkt das Gedächtnis. Und der Geruch des Vokabelbuchs unter dem Kopfkissen kann dabei durchaus hilfreich sein.

„Solche Versuche wurden eben auch bei Menschen gemacht. Die erinnern sich besser, wenn sie den Duft in Tiefschlafphasen vorgespielt bekommen. Und das Faszinierende ist: bei Insekten funktioniert das offensichtlich genauso. Was bedeutet, dass der Zusammenhang von Schlaf und Gedächtnis evolutiv älter ist als wir bisher angenommen haben.“

Das ist gut für Forscherinnen wie Hanna Zwaka, denn nun können sie dem Zusammenhang Schlaf und Gedächtnis an Insekten bis ins molekulare und genetische Detail nachgehen. Vielleicht klärt sich dann auch die Frage, ob Bienen eigentlich träumen.

„Ich kann mir schon vorstellen, dass, wenn wir dem Tier den Duft vorspielen, dass sie in dem Moment die Situation nochmal durchläuft und vielleicht ist so etwas im weitesten Sinne so etwas wie träumen.“

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Fundstelle:

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