Bienentod durch Neonicotinoide ? – Diskussion !

Neonicotinoide im Bienen-Futter wirken möglicherweise wie eine Droge

aus: (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14414; 10.1038/nature14420)

zitiert aus : Bienen bevorzugen Pestizid-Nektar

Neonicotinoide im Bienen-Futter wirken möglicherweise wie eine Droge

Giftige Vorliebe: Mit Pestiziden versetzten Nektar trinken Bienen und Hummeln offenbar lieber als reines Zuckerwasser. Auf das Gehirn der Insekten könnten die vielfach kritisierten Neonicotinoide wie eine Droge wirken, vermuten Wissenschaftler. Die Gefahr für die Bienen durch diese Nervengifte scheint daher noch deutlich größer als gedacht, warnen die Forscher im Fachjournal „Nature“. Denn gesündere Ersatznahrung verschmähen die Tiere möglicherweise.

Erdhummel bei der Nektarsuche auf Rapsblüten. Pestizide aus der Gruppe der Neonikotinoide sind eine große Gefahr für die Insekten.

Bienen machen mehr als nur Honig: Beim Sammeln von Nektar und Pollen bestäuben sie auch die Blüten anderer Pflanzen und lassen diese so erst Früchte tragen. Dadurch gehören Bienen zu den wirtschaftlich wichtigsten Nutztieren. Der Wert der durch Bienen ermöglichten Ernten liegt weltweit bei über 150 Milliarden Euro pro Jahr. Umso dramatischer ist die Lage, in der sich Bienenvölker auf der ganzen Welt befinden: Durch den zunehmenden Einsatz von Pestiziden sind sie mittlerweile stark bedroht.

Zuckerwasser mit Nervengift

Besonders Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide sind in letzter Zeit ins Zentrum der Kritik gerückt. Bereits vor einigen Jahren sind mehrere dieser Pestizide in der EU vorläufig verboten worden, um weitere wissenschaftliche Ergebnisse über deren Bienenverträglichkeit abzuwarten. Mittlerweile gelten Neonicotinoide erwiesenermaßen als schädlich für die Bienen: Sie schädigen das Nervensystem der Insekten und lassen sie die Orientierung verlieren, so dass die Bienen oft ihren Stock nicht wiederfinden. Mehrere Studien bestätigen diese Wirkung.

Fatalerweise merken die Bienen das erst, wenn es zu spät ist: Aus früheren Studien ist bekannt, dass Bienen und Hummeln die Nervengifte nicht schmecken können. Wissenschaftler um Geraldine Wright von der englischen Newcastle University haben nun erforscht, ob die Insekten bei der Futtersuche auf Neonicotinoide im Nektar reagieren. Dazu boten sie Gruppen von Honigbienen oder Erdhummeln die Wahl zwischen zwei verschiedenen Nahrungsquellen: Entweder eine einfache Zuckerlösung, oder mit Pestiziden versetztes Zuckerwasser. Die Konzentration der Pestizide entsprach dabei Werten, die auch in der Natur in Nektar und Pollen nachweisbar sind.

Honigbiene beim Sammeln auf Rapsblüten.

Pestizide wirken als Droge

Das beunruhigende Ergebnis: Anstatt die Neonicotinoide zu vermeiden, scheinen die Insekten den mit Pestiziden versetzten Nektarersatz sogar zu bevorzugen. Von der Neonicotinoid-Zucker-Mischung tranken sie deutlich mehr als vom einfachen Zuckerwasser. Bei den Hummeln war dieses Verhalten sogar noch stärker ausgeprägt als bei den Bienen.

„Neonicotinoide wirken im Bienengehirn über denselben Mechanismus wie Nikotin im menschlichen Gehirn“, erklärt Studienleiterin Wright. „Dass sie Nahrung mit Neonicotinoiden bevorzugen, ist beunruhigend, denn es deutet darauf hin, dass Neonicotinoide wie Nikotin als Droge wirken.“ Nahrung, die solche Substanzen enthält, könne dadurch einen Belohnungseffekt im Gehirn auslösen, erläutert Wright.

Das Sammeln von verseuchtem Nektar gefährdet nicht nur einzelne Bienen – die gesammelten Vorräte betreffen das ganze Bienenvolk. Und die Möglichkeit, den Bienen pestizidfreie Ersatznahrung anzubieten, fällt nun aus: „Selbst wenn den Bienen in landwirtschaftlichen Gebieten, in denen Neonicotinoide eingesetzt werden, alternative Nahrungsquellen zur Verfügung gestellt werden, könnten die Bienen es bevorzugen, von den neonicotinoid-verseuchten Pflanzen zu sammeln“, sagt Koautorin Jane Stout vom Trinity College Dublin. „Und da Neonicotinoide auch auf wilden Pflanzen enden, wenn diese neben Erntepflanzen wachsen, könnten sie viel verbreiteter in der Ernährung der Bienen sein als wir dachten.“ (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14414; 10.1038/nature14420)

(Newcastle University, 23.04.2015 – AKR)

Neonikotinoide gehören zu einer neueren Stoffklasse von Insektiziden.

Der BUND  – Bund für Umwelt und Naturschutz – stellt dazu  fest:

Neonikotinoide gehören zu einer neueren Stoffklasse von Insektiziden. Sie werden inzwischen flächendeckend verwendet und sind außergewöhnlich stark giftig.  Neonikotinoide werden meist nicht direkt auf das Feld gespritzt, sondern als Saatgut­beize verwendet. Dadurch können sie mit dem Wachstum die gesamte Pflanze durchdringen. Die Blätter sind dann vor „Schädlingen“ geschützt. Die Neonikotinoide greifen bei Insekten in das zentrale Nervensystem ein. Die Tiere sterben dadurch nicht sofort, verlieren aber für ihr Überleben wichtige Fähigkeiten.

Dramatische Folgen hat der Einsatz von Neonikotinoiden für Bienenvölker. Diese kommen mit dem Nervengift über Pollen oder „Schweißtröpfchen“ der Pflanzen in Kontakt. In den „Schweißtröpfchen“ ist das Nervengift konzentriert, weshalb sie bis zu 1.000 Mal giftiger sind als die Pollen. Als Folge können Honigbienen erheblich in ihrer Orientierungsfähigkeit gestört werden und finden nicht zu ihrem Stock zurück. Das kann in einem Umfang geschehen, der zum Zusammenbruch einer Kolonie führt.

Anflug auf Bienenstock, Foto: rainer stropek/ CC BY 2.0
Bienenstock in Gefahr: Durch Neonikotinoide verlieren Bienen ihre Orientierungsfähigkeit.

Darüber hinaus schwächen Neonikotinoide das Immunsystem der Bienen und machen sie somit anfälliger für die Varroamilbe. Die Milbe befällt die Brut der Bienen, saugt ihr Blut und hinterlässt Wunden, in denen Viren und Bakterien, die sie zudem überträgt, gedeihen.

Neonikotinoide mitschuldig am Verschwinden der Feldvögel

Neonikotinoide sind aber auch für das Vogelsterben in der europäischen industriellen Agrarlandschaft verantwortlich. Sie rauben den Singvögeln ihre Nahrung, die Insekten. Die Vögel verschwinden aus der Landschaft oder sie brüten nicht erfolgreich. Der holländische Toxikologe Dr. Henk Tennekes erkannte schon 2010 die Gefahr. Er veröffentlichte seine Forschungen in den Buch: „Desaster in the Making“. Der BUND übersetzte das Werk ins Deutsche und gab es im Eigenverlag heraus.

Bedroht: die Rauchschwalbe; Foto: CC BY 2.0 / Frank Vassen
Ebenfalls bedroht: die Rauchschwalbe

Zum ersten Mal hat die wissenschaftliche Forschung im Sommer 2014 nachweisen, dass Neonikotinoide auch für den Verlust der Feldvögel verantwortlich sind. Das schreibt die britische Tageszeitung „Guardian“ auf Basis einer Studie, die in den Niederlanden durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass die Vogelpopulationen in den Gegenden am stärksten fielen, in denen die Verseuchung durch Neonikotinoide am höchsten war.

Mindestens 95 Prozent der Neonikotinoide, die eigentlich nur für das Bespritzen von Kulturpflanzen gedacht waren, landeten in einer weiteren Umgebung, die nicht nur auf die Felder beschränkt war, sondern darüber hinaus reichte. Dort töteten die Pestizide auch Insekten, die von den Feldvögeln als Nahrungsmittel benötigt werden – unter anderem für die Fütterung ihrer Jungvögel.

Der BUND fordert ein Verbot des Einsatzes von Neonikotinoiden

In den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückten Neonikotinoide erstmals im Jahr 2008. Damals löste diese Stoffgruppe am Oberrhein ein Sterben von Bienenvölkern in einer vorher nicht gekannten Dimension aus. Verantwortlich dafür war der Pestizidwirkstoff Clothianidin. Beim Säen von damit gebeiztem Maissaatgut wurden die Stäube weitläufig verweht. Es erfolgte eine Schädigung von Zehntausenden von Bienenvölkern, aber auch von Wildbienen, Schmetterlingen und anderen Insekten.

Da Neonikotinoide gut wasserlöslich und gleichzeitig schwer abbaubar sind, reichern sie sich in Böden und Sedimenten an. Dies macht sie auch zu einer Gefahr für zahlreiche im Wasser und auf dem Boden lebende Tiere. Jüngste Untersuchungen in den Niederlan­den belegen etwa die schädigende Wirkung des Neonikotinoids Imidacloprid auf wirbellose Tiere wie Schnecken, Fische und Würmer. Dabei könnte die Landwirtschaft auf bienengefährdende Beizmittel dauerhaft verzichten. Das zeigt die landwirtschaftliche Praxis in Frankreich: Auf 2,8 Millionen Hektar wird erfolgreich Mais ohne den Einsatz dieser Beizmittel angebaut. In Frankreich dürfen zudem Behörden Pestizide auf Grünflächen, in Wäldern und auf Wegen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, ab 2020 nicht mehr anwenden.

Der BUND setzt sich für ein Verbot des Einsatzes aller Neonikotinoide ein. Mit Erfolg: Im April 2013 wurden auf EU-Ebene die drei Pestizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiametoxam aus der Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide für vorerst zwei Jahre verboten. Ebenso wurde das systemische Pestizid Fibronil für zwei Jahre vom Markt genommen. Gegen die Verbote haben Syngenta, BayerCropScience und die BASF (Fibronil) Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Eine Entscheidung über die Verlängerung oder Aufhebung des Verbots fällt vermutlich Anfang 2016. Derweil hat die EU-Lebensmittelbehörde EFSA, die für die Zulassung der Wirkstoffe zuständig ist, Ende August 2015 Berichte zu drei Insektiziden veröffentlicht: Demnach bergen die Stoffe aus der Neonikotinoidgruppe „hohe Risiken“ für Bienen und andere nützliche Bestäuber. Eine Wiederzulassung scheint damit unwahrscheinlicher zu werden.

Quelle: http://www.bund.net/honigbiene

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