Aus: Deutschlandfunkradio, Forschung aktuell, November , 13.November 2015
Honigbienen sammeln Pollen und Nektar von verschiedenen Pflanzenarten, andere Bienen sind hingegen auf bestimmte Pflanzen spezialisiert. Doch welche Sammeltechnik ist die ältere? Um darüber Hinweise zu erhalten, haben sich Forscher der Universität Bonn fossile Bienen angesehen – und dabei auch auf ungewöhnliche Hilfsmittel zurückgegriffen. Von Joachim Budde
Wenn Torsten Wappler auf Pollensuche geht, benutzt er einen äußerst feinen Pinsel.
„Da ist vorne nur ein Nasenhaar dran, also man muss sich das Nasenhaar dann rausziehen, das vorne an den Pinsel dann an der Spitze befestigen, vielleicht habe ich die kurz hier, das wäre dann ein Nasenhaar, und das Nasenhaar ist besonders gut, um einzelne Pollen rauszustreichen.“
Der Pollen, mit dem der Paläontologe vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn hantiert, ist fast 50 Millionen Jahre alt. Er klebt auf einer ebenso alten Biene, die Urzeitforscher im Eckfelder Maar ausgegraben haben, einem ausgetrockneten Vulkansee in der Süd-Eifel.
Der Biene aufs Bein geschaut
Auch Insekten aus der Grube Messel bei Darmstadt haben die Forscher analysiert, insgesamt elf Bienen aus sechs Arten. Die Gattungen dieser Bienen sind längst ausgestorben, und doch können die Forscher untersuchen, wie sich die Insekten ernährt haben. Sie haben sich angeschaut, wo auf dem Körper der Insekten sich welcher Pollen befindet.
„Hier ist das Bein unterm Fluoreszenzmikroskop, und man sieht diese gelben Pünktchen dazwischen, das sind die Pollen, und dann kann man genau sagen: Okay, die Pollen, die kommen nicht im Sediment vor, sondern die sind wirklich an Ort und Stelle auf dem Insekt, und das ist also ein wichtiger Hinweis. Aufgrund der Strukturen, die wir da haben, mit diesem Körbchen, wo das gesammelt wird, dass das aktiv dorthin transportiert wurde.
Diese Strukturen an den Beinen, die sind besonders wichtig. Und die sind schon so entwickelt, wie wir das von heutigen Bienen kennen.“
Was in den Pollenhöschen steckt, haben die Bienen für ihren Nachwuchs in der Kolonie gesammelt. In den Höschen fanden die Wissenschaftler ausschließlich Pollen von immergrünen Sträuchern oder Bäumen mit kleinen bis mittleren Blüten. Wie die ausgesehen haben, wissen die Forscher, weil in Eckfeld und Messel auch Hunderte Blüten erhalten sind. Ein Glücksfall:
„Um dann noch mehr Informationen über Nahrungsnetze innerhalb eines Ökosystems zu bekommen. Weil normalerweise hat man ja nur die isolierte Biene, das ist eine tolle Information, jetzt haben wir die Pollen noch auf den Bienen drauf, und jetzt haben wir dazu noch die Blüten, und da auch noch die Pollen. Und das dann zusammenzubringen, das ist natürlich ein ganzer Zyklus, den wir dann da haben und was wir dann da untersuchen können.“
So wählerisch die Bienen beim Pollen für ihre Larven waren, beim Nektar griffen sie offenbar gerne auch anderswo zu. Denn auf dem Kopf, dem Brustsegment und dem Hinterleib ihrer Bienen fanden die Forscher Pollen von ganz anderen Pflanzenarten, sagt Conrad Labandeira vom Nationalen Naturkundemuseum in der US-Hauptstadt Washington, der an der Studie mitgearbeitet hat.
Die Suche nach der Ur-Biene
Damit werfe die Studie allerdings mehr Fragen auf als sie beantwortet.
„Eine der wirklich interessanten Kontroversen über die Evolution der Bienen geht darum: Wie haben die ursprünglichsten Bienen Nahrung gesammelt?
Waren sie Generalisten? Oder haben sie sich auf einzelne Pflanzenarten spezialisiert? Oder etwas dazwischen? Wir zeigen hier, dass nach der Hälfte der 100 Millionen Jahre, die die Bienenevolution schon dauert, schon eine duale Strategie vorhanden war.“
Noch offene Fragen
Bei heutigen Bienenarten kennen Biologen ganz unterschiedliche Sammelstrategien. Honigbienen zum Beispiel sammeln Pollen und Nektar auf sehr vielen verschiedenen Blüten. Andere, allein lebende Bienenarten haben sich auf den Pollen einer einzigen Gattung spezialisiert. Welche Strategie älter ist, das werden die Forscher erst sagen können, wenn sie weitere Fossilien gefunden haben.
„Wir haben viele Bienen aus den letzten 50 Millionen Jahren. Ältere Fossilien haben wir kaum gefunden, sie fehlen besonders aus der Kreidezeit, da reißt der Fossilbericht ab.
Wir müssen also warten, bis wir neues Material finden, sei es in Bernstein oder Versteinerungen.“